Akteure und soziale Kontexte rechter Gewalt

Online-Vortragsreihe im Wintersemester 2022/23

Das Ausmaß rechter Gewalt in Deutschland wird in staatlichen und zivilgesellschaftlichen Statistiken – zum Teil sehr unterschiedlich – quantifiziert. Gerade in der medialen Auseinandersetzung ist dieser statistische Blick auf rechte Gewalt sehr präsent, obwohl er nur bedingt zum Verstehen und Erklären rechter Gewaltphänomene beiträgt. Aus einer soziologisch-historischen Perspektive hingegen rücken Fragen nach konkreten Akteuren sowie nach den sozialen Kontexten rechter Gewalt in den Vordergrund. In diesem Sinne möchten wir mit unserer Veranstaltungsreihe dazu beitragen, den Blick auf rechte Gewalt zu weiten und verschiedene aktuelle sowie historische Phänomene zu beleuchten.

Die Referierenden werden sowohl rechtsextreme Netzwerke und Jugendkulturen von den 1970er bis in die 1990er Jahre analysieren als auch aktuelle Phänomene wie (vermeintlicher) Lone-Actor-Terrorismus oder rechtsextreme Online-Communities (z.B. „Incels“) diskutieren. Die Spuren der Corona-Pandemie finden sich neben dem Format als Online-Veranstaltungsreihe auch im Thema des Auftaktvortrags wieder, der sich mit Radikalisierungsprozessen der Impfgegnerinnen-Bewegung auseinandersetzt.

Die Veranstaltungsreihe im Wintersemester 2022/23 schreibt unsere letztjährige Reihe zu „Hate-Crime, Vorurteilskriminalität und rechte Gewalt“ fort. Hierfür konnten wir renommierte Soziologinnen, Kriminologinnen und Historikerinnen gewinnen, die uns spannende und aufschlussreiche Einblicke in ihre aktuellen Forschungen und Analysen rechter Gewalt, ihrer Akteure und den sozialen Kontexten geben werden.

Die Veranstaltungen finden digital über Zoom statt. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Zum Zoom-Link: Hier…

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Programm

Dienstag, 25. Oktober 2022 – 18.00 Uhr
Explaining radicalizationprocesses in anti-vax protests during pandemic times: A relational approach to violence
Prof. Dr. Dr. H.C. Mult. Donatella Della Porta
(Scuola Normale Superiore, Firenze)

This lecture locates radicalization processes of anti-vax protests by looking at the broader protest cycles activated by the pandemic crisis. Defining anti-vax protests as an example of regressive contentious politics during an emergency critical juncture, Donnatella della Porta will look at the relational dynamics as well as at the cognitive processes during various waves of protests. Based on protest event data as well as video data and frame analyses on the Italian case, the presentation will also expand on a cross national comparative perspective.


Dienstag, 8. November 2022 – 18:00 Uhr
Lone Acting. Über die soziale Einbettung von „Einzeltätern“
Dr. Thomas Hoebel
(Hamburger Institut für Sozialforschung)

Neuere empirische Studien zeigen, dass viele der sogenannten Einzeltäter Komplizen oder Mitwisserinnen haben. Auch wenn sie die Gewaltanschläge allein vorbereiten und ausführen, kündigen sie ihre Taten bestimmten Kreisen vorher an oder beziehen sich auf breitere radikale Bewegungen, in deren Namen sie ihre Tat verüben. Ihre Radikalisierung vollzieht sich häufig in radikalen Milieus und Subkulturen, online oder offline. Zudem ereignen sich die Gewalttaten oft im Kontext breiterer politischer Konflikte oder im Zusammenhang mit Wellen der Mobilisierung von Mitstreitenden. In seinem Vortrag befasst sich Thomas Hoebel mit der Frage, wie diese sozialen Einbettungen eines „lone acting“ theoretisch-konzeptionell erschlossen werden können.


Dienstag, 22. November 2022 – 18.00 Uhr
Soundtracks der Baseballschlägerjahre. Rechte Gewalt und Jugendkultur im Ostdeutschland der 90er-Jahre
Dr. Christoph Schulze
(Moses-Mendelssohn-Zentrum, Universität Potsdam)

„Wir sind jung, stolz und stark“, sang die Cottbuser Neonazi-Band Frontalkraft am Anfang der 1990er-Jahre. Boomender Rassismus und Nationalismus kamen zu dieser Zeit in Ostdeutschland und auch darüber hinaus mit einem Aufbruch einer selbst- und machtbewussten rechtsextremen Jugendkultur zusammen. Skinheads wurden zu Ikonen und zu einer prägenden Kraft in den Jugendszenen. Mode, Musik, Neonazismus vermischten sich – Ausdruck und Mittel der entsprechenden Politik wurde die Gewalt. Eine Exploration der Geschichte, Funktion und Bedeutung rechtsextremer Kultur, veranschaulicht am Exempel des Landes Brandenburg.


Dienstag, 6. Dezember 2022 – 18.00 Uhr
Incels, Volcels, MGTOW: Sexistische Sehnsuchtsstrukturen und männliche Selbstinszenierungen als vermeintliche Opfer des Feminismus
Nanina Marika Sturm
(Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung, Dortmund))
Incels, Volcels, MGTOW – drei der bekanntesten Gruppierungen, die trotz einiger Differenzen einiges gemeinsam haben: Antifeminismus, Sexismus und extrem rechte Ideologien. In diesem Vortrag soll ein Einblick in die verschiedenen Gruppierungen und ihre Rollenbilder, Widersprüchlichkeiten, Ideologien, den digitalen „Memetic Warfare“ und Gefährdungspotenziale gegeben werden. Schwerpunkt wird dabei eine intersektionale Perspektive sein, um Zusammenhänge zwischen antisemitischen, rassistischen, antiziganistischen und sexistischen Elementen in den rechtsextremen Online-Communities zu berücksichtigen.


Dienstag, 20. Dezember 2022 – 18:00 Uhr
Between ‘coloreds’ and ‘foreigners’. The effect of Manfred Roeder’s contagious encounters abroad on West-German right-wing extremism
Annelotte Janse
(Universität Utrecht)

In this lecture, Annelotte Janse will dive into the transnational network of Manfred Roeder in the 1970s. Roeder was best known for his leadership of the Deutsche Aktionsgruppen, a right-wing terrorist group responsible for the first ‘explicitly racist’ and lethal anti-foreigner attacks in West-Germany. Presenting previously unused archival material, Annelotte Janse will show that Roeder’s encounters abroad decisively shaped and emboldened his thoughts and actions regarding the presence of ‘foreigners’ in West Germany. Consequently, it was not just the racist violence of the Deutsche Aktionsgruppen, but also Roeder’s transnational encounters contributed to the consolidation of a new threat perception that came to dominate the West German right-wing extremist scene of the 1980s.

Veranstalter:
Nachwuchsforschergruppe Rechtsextreme Gewaltdelinquenz und Praxis der Strafverfolgung: Taten, TäterInnen und Reaktionen der Hans-Böckler-Stiftung und „ConTrust. Vertrauen im Konflikt. Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit“ – ein Clusterprojekt des Landes Hessen am Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main