Islamismus in Deutschland und Europa: Gesellschaftlicher Umgang mit Ursachen und Wirkungen

RADISRingvorlesung im Sommersemster 2023

Unter dem Dach einer BMBF-Förderlinie untersuchen insgesamt zwölf Forschungsprojekte das facettenreiche Feld des Islamismus. Damit vereint die Förderlinie rund 100 Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen, die sich verschiedenen Fragen nach Ursachen wie Wirkungen von Islamismus und Radikalisierung in Deutschland und Europa widmen. In Kooperation mit der Forschungsinitiative ConTrust trägt die RADIS-Ringvorlesung im Sommersemester 2023 einzelne Themen und erste Ergebnisse dieser Forschungen an die Goethe-Universität Frankfurt, indem aus sechs Projekten ein jeweils aktueller Aspekt beleuchtet wird. Das Spektrum reicht dabei von Trends und Logiken des gesellschaftlichen und politischen Umgangs mit Islamismus in Deutschland über Aufgaben und Möglichkeiten des islamischen Religionsunterrichts in der Radikalisierungsprävention bis hin zur affektiven Verarbeitung von Diskriminierungs- und Kränkungserfahrungen in der Einwanderungsgesellschaft.

Goethe-Universität
Campus Westend
Frankfurt am Main

Die Veranstaltung ist öffentlich. Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen unter: www.radis-forschung.de

Programm

20. April 2023, 18.15 Uhr, Hörsaalzentrum HZ 7

PD Dr. Özkan Ezli / Prof. Dr. Levent Tezcan, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
„Man kann den Islam nur in den eigenen vier Wänden ausleben“. Ressentiment in Theorie und Praxis

Wie werden Diskriminierungs- und Kränkungserfahrungen verarbeitet? Welche positiven oder negativen Gefühlskulturen entstehen daraus, und zu welchen Formen von Identifikationen und Teilhabe führen sie? Und welche Affekte, mit besonderem Fokus auf Ressentiment, kommen dabei ins Spiel? Auf Grundlage von bislang über 50 qualitativen Interviews mit mehr als 80 Proband:innen in neun deutschen Städten geht das Projekt Gefühlskultur in der Einwanderungsgesellschaft zwischen Verweigerung, Teilhabe und Ressentiment diesen Fragen nach. Das Zitat im Titel, das einem der Interviews entstammt, deutet eine komplexe Affektlage an, die in der Vorlesung am Beispiel konkreter Fälle soziohistorisch wie auch gegenwartsbezogen für die deutsche Einwanderungsgesellschaft aufgezeigt wird.

11. Mai 2023, 18.15 Uhr, Hörsaalzentrum HZ 6

PD Dr. Martin Kahl, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Was bestimmt den (institutionellen) Umgang mit Islamismus in Deutschland?

Die Vorlesung gibt Antworten auf die Frage, inwieweit sich beimgesellschaftlichen und politischen Umgang mit Islamismus in Deutschland durchgängige Trends und Logiken aufzeigen lassen. Anhand gesellschaftlicher Debatten zu islamistischen Aktivitäten bis hin zum Terrorismus wird zum einen analysiert welche Forderungen aus der Gesellschaft an den Staat herangetragen werden. Zum anderen wird untersucht, welche eigenen Wahrnehmungen Politik, Verwaltung, Sicherheitsbehörden und zivilgesellschaftliche Gruppen in Bezug auf Islamismus haben, welche Ziele sie dabei verfolgen und ob sich aus den Interaktionen der Beteiligten ein konsistenter Umgang mit Islamismus ergibt.

25. Mai 2023, 18.15 Uhr, Hörsaalzentrum HZ 10

Elif Durmaz, FH Bielefeld
Strategische Kommunikation muslimischer Organisationen nach Anschlägen mit islamistischem Hintergrund

Nach Anschlägen mit islamistischem Hintergrund sowie nach islamfeindlichen Angriffen in Deutschland erleiden muslimische Organisationen oftmals Reputationsschäden. Deshalb ist die Reaktion der Organisationen auf solche Ereignisse in Form von Krisenkommunikation von hoher Relevanz.. Auf Grundlage der Situational Crisis Communication Theory (SCCT) von Coombs wurden alle öffentlich zugänglichen Stellungnahmen muslimischer Organisationen zu Anschlägen, die in Pressemitteilungen, auf Social-Media-Accounts und in Zeitungsberichten von zwischen 2015 und 2020 festgehalten wurden, gesammelt und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Die Ergebnisse werden in der Vorlesung vorgestellt.

15. Juni 2023, 18.15 Uhr, Hörsaalzentrum HZ 7

Alexandra Schramm, Universität Vechta
Aufgaben und Möglichkeiten des islamischen Religionsunterrichts und der Schule in der Prävention islamistischer Radikalisierung

An Schulen insgesamt sowie insbesondere an den neu geschaffenen islamischen Religionsunterricht werden vielfältige gesellschaftspolitische Erwartungen gestellt. So sollen unter anderem die gesellschaftliche Integration und der Abbau von Vorurteilen gefördert werden, aber auch Radikalisierungen vorgebeugt werden. Doch sind der islamische Religionsunterricht speziell und die Schule insgesamt überhaupt auf diese wichtigen Aufgaben vorbereitet? Was kann Schule und Unterricht in diesem Zusammenhang leisten und wo liegen die Grenzen? Diesen und anderen Fragen geht das Projekt UWIT nach, u.a. durch eine umfassende Dokumentenanalyse der Studienmodule an Hochschulstandorten, die Islamische Theologie unterrichten, sowie durch eine qualitative Interviewstudie mit 26 Dozierenden des Fachs. Erste Ergebnisse aus der Studie werden in der Vorlesung präsentiert.

29. Juni 2023, 18.15 Uhr, Sprach- und Kulturwissenschaft (SKW) – SKW B

Prof. Dr. Mehmet Kart, IU Internationale Hochschule
Die Rolle von Sozialisationsinstanzen in Prozessen der Hinwendung zum und Abwendung vom Islamismus

Sozialisationsinstanzen, wie etwa die Herkunftsfamilie, Partnerinnen und Partner, Freunde und die Freundinnen sowie die Peergroup der Gleichaltrigen, spielen meist eine zentrale Rolle in der Radikalisierung junger Menschen. Ebenso sind institutionelle Instanzen, wie etwa die Schule und die Arbeitswelt, bedeutende Einflussgrößen. Ansätze der Prävention und Beratung fokussieren daher auf die Wirkungspotentiale all dieser Akteur:innen, um Radikalisierung frühzeitig vorzubeugen bzw. Prozesse der Abwendung zu initiieren. In der Vorlesung präsentiert das Forschungsprojekt Distanz Ergebnisse aus zwei Interviewstudien, in denen 25 Interviews mit Berater:innen zu ihrer Beratungsarbeit geführt wurden sowie weitere Berater:innen jeweils den Verlauf eines konkreten Fall aus ihrer Deradikalisierungsarbeit schildern konnten. Darüber hinaus wird die Perspektive der Berater:innen durch ein Interview mit einem Betroffenen ergänzt, welches die Rolle von Sozialisationsinstanzen im individuellen Prozess der Radikalisierung bis zu hin zur Abwendung verdeutlicht.

6. Juli 2023, 18.15 Uhr, Hörsaalzentrum HZ 13

Dr. Youssef Dennaoui, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Umkämpfte Religion: Überbietungskämpfe im Islam und ihre Folgen dargestellt am Beispiel des Salafismus in Marokko und Deutschland

Religiöse Überbietungen werden unter muslimischen Theologen als religiöse Übertreibungen (Mughalāt) thematisiert. Doch sind verschiedene Fragen noch nicht hinreichend beantwortet, besonders in Hinblick auf moderne Kontextualitäten, Verlaufsmuster und gesellschaftliche Folgen. Die Vorlesung geht diese Fragen am Beispiel des Salafismus im Feld des Islam nach und arbeitet kontextbezogen, mit Blick auf Deutschland und Marokko, heraus, wann und unter welchen Bedingungen religiöse Überbietungskämpfe zu jenen Konflikten führen, die Polarisierung und Radikalisierung unter Muslimen begünstigen.

Veranstalter
RADIS – Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam in Deutschland und Europa in Zusammenarbeit mit der Forschungsinitiative „ConTrust“ am Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität